Von Trohe nach Paris

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In der Mitte des 19. Jahrhunderts wanderten zahlreiche Bewohner unserer Gegend aus. Ziele waren häufig Amerika und Paris.

Die Gründe waren u.a. massive Arbeitslosigkeit, schlechte Ernten und damit einhergehende Teuerung. Dies führte zur Verarmung großer Bevölkerungsteile.

Das Leben auf dem Land war bereits vorher schwierig und entbehrungsreich. Stender nimmt eine durchschnittliche Hofgröße von 1,2 bis 5 Hektar für das Großherzogtum Hessen an. Solche kleinen Höfe konnten kaum eine Familie ernähren. In der nur knapp 26 Hektar großen Flur Trohe mussten sich viele Bewohner schon früh zusätzlich als Tagelöhner verdingen, um ihre Familien ernähren zu können.

Die sogenannte Bauernbefreiung befreite die Bauern zwar von ihrer Arbeitsverpflichtung gegenüber dem Landgrafen, doch sie mussten sich von ihr freikaufen. Viele Bauern waren mit diesen Zahlungen überfordert und verloren ihren Hof. Die Zahl der Tagelöhner stieg drastisch an. Durch die gerade in England aufblühende Industrialisierung wurden die gängigen Erwerbsquellen der Tagelöhner außerhalb der Landwirtschaft massiv beschnitten. Die Konkurrenz um den Arbeitsplatz vergrößerte sich.
Gerieten früher eher Kranke und Alte in Not und mussten von der Dorfgemeinschaft versorgt werden, so kamen nun arbeitsfähige Personen hinzu – die aber keine Arbeit fanden. Zudem stieg die Bevölkerungszahl stärker an. Es drängten immer mehr Menschen auf den kleiner werdenden Arbeitsmarkt.

Ein Versuch das Problem zu lösen war: Auswanderung. Fern der Heimat glaubte man leichter Arbeit zu finden und seine Familien ernähren zu können.
Es gab Gemeinden die unterstützten und förderten die Auswanderung mit finanziellen Hilfen. Es fehlen Hinweise, dass dies auch in Trohe praktiziert wurde. So musste sich mancher Auswanderungswillige ohne Geld zu Fuß auf den Weg in eine bessere Zukunft begeben. Damit verbunden ist dann oft ein Betteln, um sich unterwegs zu ernähren. Betteln war verboten und stand unter Strafe. Das Gemeindearchiv enthält zahlreiche Meldungen über Bestrafungen Troher Bürger die in Darmstadt und anderswo beim Betteln erwischt wurden.

Am Ende solcher Wanderungen stand oft Paris, wo man sich zum Beispiel als Straßenfeger verdingte. Nachrichten über Geburten, Heiraten oder Tod dieser Bürger – auch für Trohe - wurden von den französischen Behörden an die hiesige Kirchengemeinde übermittelt. Diesen Unterlagen können wir u.a. entnehmen, dass mehrere Troher gemeinsam mit anderen Hessen in einem Haus wohnten. Man suchte scheinbar den heimatlichen Verbund.

Stender zitiert in ihrer Arbeit: „Es wird schwerlich in Paris irgend eine Arbeiterklasse geben, die es im Entbehren so weit gebracht, denn Geld zurückzulegen, in einem Berufe, der dem arbeitsfähigen Manne als Maximum täglich 2 ½ Francs einbringt, ist gewiß nicht leicht. Frauen und Kinder verdienen 25 bis 30 Sous. ... Bei solchen Einnahmen machen sie es möglich, in zwei bis drei Jahren die notwendige Summe zu ersparen; haben sie eine zahlreiche Familie, so beträgt der Erwerb fünf bis sechs Francs pro Tag und das Reichwerden erfolgt dann wie mit Dampf. (Das ist mit Sicherheit ironisch gemeint! A[ngela] S[tender]) Diese Straßenkehrer sind die Einzigen unter ihren Landsleuten, die nicht das mindeste von der französischen Sprache lernen, mit Ausnahme der Kinder indessen... Die Hessen leben ganz unter sich... Die Verheerungen, welche das Elend, besonders unter den Straßenarbeitern anrichtet, sind entsetzlich; Mangel, Entbehrungen, ungesunde Arbeit und Heimweh lichten ihre Reihen; alle epidemischen Krankheiten kehren bei ihnen ein und außerdem haben sie an gewissen Übeln zu leiden, die durch ihre Beschäftigung hervorgebracht werden... Die Zahl der Hessen wird auf ein Minimum von 3.000 geschätzt. Sie leben nur unter sich, haben mit Andern, selbst mit Landsleuten wenig Verkehr und wohnen in große Häuser zusammengedrängt, die viele Familien beherbergen und deutsche Höfe heißen.“

Die kleine Troher Gemeinschaft in Paris bestand u.a. aus Philipp Euler und seiner Schwester Catharina, aus Catharina Müller, Jacob Lenz und Pierre Noll.
Viele werden nicht von Paris zurückgekommen sein.

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Das neue Wappen von Trohe

Video zum Jubiläum

Video zum Jubiläum von Jürgen Marschinke